Heimatverein Eystrup Grafschaft Hoya e.V.

Eystruper Gebäude

Eystrups ehemalige Postgebäude

Die 1. Poststelle

Mitte des 19. Jahrhunderts unterhielt Postmeister Freymuth eine Poststelle an der Hauptstraße in Eystrup, im heutigen Haus der Firma "blaufelder´s graphic art studio".

Hier wurden Postkutschenpferde ausgewechselt, gepflegt und gefüttert.

Die Posthalterei in Eystrup verfügte damals über 40 Pferde.
Postkutschen gingen nach Nienburg, Verden, Hoya und zu den Allerorten.

Davon zeugt heute noch in Eystrup die Straßenbezeichnung "Alter Postweg".

Neben den staatlichen Postkuschen gab es aber auch andere Fuhrbetriebe die den Personenverkehr mit Pferden betrieben.

Sie wurden damals Omnibusse genannt.

In diesem Gebäude befand sich die 1. Eystruper Poststelle
In diesem Gebäude befand sich die 1. Eystruper Poststelle
Aufgabeschein von 1860 mit der Unterschrift von Postmeister Freymuth
Aufgabeschein von 1860 mit der Unterschrift von Postmeister Freymuth

Das Hoyaer Wochblatt schreibt 1904:

Eystrup 20. Oktober. (Die letzte Fahrt.) Infolge der Betriebseröffnung der Teilstrecke Rethem-Verden stellt die Personen- und auch die Briefpost Eystrup-Rethem ihre Fahrten ein; der letzte Wagen mit Tannenreis geschmückt machte heute in der Dämmerung noch eine Extratur durchs untere Dorf und nach der alten Posthalterei, um Abschied zu nehmen für immer. Zum letzten Male ertönten die Klänge des Posthorns, welche hier seit Jahrhunderten geklungen haben. Unser Platz mit großem Wagenpark und starkem Pferdematerial. Wer die alten Postwege kennt über Heithüsen, Hülsen usw. kann sich wohl erklären, daß damals kaum 4-6 Pferde im Stande waren, die plumpen Wagen durch die aufgeweichten Sand- und Heidewege zu ziehen. Der letzte Posthalter Herr Freymuth, ist vor 15 Jahren gestorben. In den letzten Jahren ist der Betrieb nur noch einspännig aufrecht erhalten worden und heute Abend 7.20 Uhr bläst der Postillon sein Abschiedslied: "Ade, Ade, Ade, ach Scheiden und Weiden tut weh!" die Postidylle ist hier zur Mythe geworden, bleibt aber noch auf längere Zeit zwischen Rethem, Kirchboitzen, Walsrode bestehen, während Rethem-Ahlden wahrscheinlich schon am Ende dieses Jahres eingehen wird.




Hoyaer Wochenblatt vom 23. Oktober 1904
Hoyaer Wochenblatt vom 23. Oktober 1904

Unter Omnibus verstand man zu dieser Zeit natürlich nicht das Fahrzeug, was heute Omnibus genannt wird.

Man unterschied Postkutschen von Pferde-Omnibussen.

Während es den Kutschern der Postkutschen bei Strafe von 4 Talern verboten war, mehr als sechs Personen mitzunehmen, ließ sich bei den Pferdeomnibussen die Zahl der Fahrgäste auf 18 steigern, bei Doppelstockbussen sogar noch auf erheblich mehr.

Die gepflasterten Landstraßen waren mit Schlagbäumen „verziert".

Hier mußten die Gespannfahrer eine Abgabe für die Benutzung der Landstraße leisten.

Die nächsten Schlagbäume von Eystrup aus waren Gandesbergen, Hämelhausen, Hassel und Drübber.

Nach Eröffnung der Eisenbahnstrecke von Hoya nach Eystrup 1881 übernahm die Hoya Eisenbahn Geselleschaft, den Personenverkehr.

Fahrplan der Omnibusverbindungen zwischen Hoya - Eystrup von 1873
Fahrplan der Omnibusverbindungen zwischen Hoya - Eystrup von 1873
Fahrkarte 1. Classe von 1873
Fahrkarte 1. Classe von 1873

Die 2. Poststelle

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Wann die 1. Poststelle aufgegeben wurde lässt sich nicht genau feststellen.

Es dürfte jedoch mit dem zunehmenden Eisenbahnverkehr zusammenhängen, der sich nach 1860 entwickelte.

Die 2. Poststelle befand sich fortan Visavis des Eystruper Bahnhofs in dem abgebildeten Gebäude.

1908 zog die Poststelle in einen nur wenige 100 m entfernten Neubau.

Die 2. Eystruper Poststelle am Bahnhof
Die 2. Eystruper Poststelle am Bahnhof

Das ehemalige Postgebäude wurde nach dem Umzug der Post von der Senffabrik Leman übernommen und als Werkswohnung genutzt und in den 60er Jahren verkauft.

Im Jahr 2000 wurde es im Rahmen der Umgestaltung des Bahnhofsbereiches zu Gunsten eines Park & Ride Parkplatzes abgerissen.

Das ehemalige Postgebäude an der Ecke Alexanderweg 1963
Das ehemalige Postgebäude an der Ecke Alexanderweg 1963

Die 3. Poststelle

1908 stellte der bekannte Eystruper Baumeister Heinrich Baumgarten in der Bahnhofstraße das heute noch bestehende Gebäude fertig und vermietete dieses an die „Kaiserliche Reichspost".

Auf dem 1500 qm großen neuen Grundstück befand sich auch noch ein Stallgebäude.

Der Postvorsteher, der in den oberen Etagen des Postgebäudes wohnte, nutzte dieses Stallgebäude zur Kleintierhaltung.

1928 sollte das Gebäude wegen einer zu errichtenden Vermittlungsstelle umgebaut werden.
Der Vermieter stimmte dem Umbau nicht zu, sondern bot den Verkauf an.

Die Post kaufte Grundstück und Gebäude. Von 1929 bis 1950 waren außer kleinen Veränderungen und Instandhaltungsmaß- nahmen keine weiteren Baumaßnahmen notwendig.

Den 2. Weltkrieg hatte das Gebäude ohne Schaden überstanden.

Kaiserliches Postamt Eystrup 1908
Kaiserliches Postamt Eystrup 1908
Das Eystruper Postamt in den 20er Jahren
Das Eystruper Postamt in den 20er Jahren
Die Eystruper Briefträger in den 20er Jahren
Die Eystruper Briefträger in den 20er Jahren von links: Eichhoff, Grüneklee, Senning, Radeke, Mertens, Reimer und Bokelmann

Ort des 1. Paketbombeanschlags in Deutschland

Am 29. November 1951 ereignete sich in diesem Postamt gegen 8:30 Uhr der erste von insgesamt drei Paketbombenanschlägen, bei dem die 18-jährige Kontoristin der Marmeladenfabrik Göbber Margret Grüneklee und bei einem zweiten Anschlag wenige Stunden später in Bremen, der Chefredakteur der Bremer Nachrichten Dr. Adolf Wolfard ums Leben kamen.

Der dritte Sprengsatz, adressiert an den Futtermittelfabrikanten Anton Höing in Verden, versagte glücklicherweise.

Aufnahme vom Schaltervorraum des Tatortgebäudes
Aufnahme vom Schaltervorraum des Tatortgebäudes

Was war passiert?
Wie jeden Morgen, so auch an diesem, begab sich Margret Grüneklee zu Fuß von ihrem Arbeitsplatz in der Marmeladenfabrik Göbber zu dem ca. 700 m entfernt liegenden Postamt.

Auch an diesem Tag holte sie Post für die Firma ab. Diesmal war ein eiliges Paket an den Geschäftsführer Carl Mayntz der Fa. Göbber dabei. Als sie die Post und auch das Paket aufnahm kam es zu einer heftigen Explosion, bei der sie starb.

Ihr Vater und ihr Bruder, die beide als Postbeamte im Schalterraum tätig waren, wurden, wie auch weitere Personen schwer verletzt.

Den Rettungskräften aus dem Ort, denen die Tote und die schwer verletzten Personen bekannt waren, bot sich ein Bild des Grauens.

Modell der Paketbombe
Modell der Paketbombe

Ca. 4 Stunden später erhielt der Chefredakteur der Bremer Nachrichten, Herr Dr. Adolf Wolfard, ein eiliges Postpaket.

Beim Öffnen des Pakets explodierte dieses und tötete Dr. Wolfard. Seine Sekretärin und der anwesende Feuilleton-Chef wurden schwer verletzt.

Eine dritte Bombe, die an den Futtermittelfabrikanten Anton Höing in Verden gerichtet war, explodierte nicht.

Wie sich später herausstellte kam es wegen eines technischen Defekts nicht zur Explsion.
Die Polizeien Niedersachsen und Bremen richteten eine gemeinsame Sonderkommission mit Außenstellen in Eystrup und Verden ein.
Hier waren bis 60 Beamte tätig.

Zeitweise wurde diese Sonderkommission vom Kriminalisten Walter Zirpins aus Hannover geleitet.



Aufnahme vom Tatortgebäude
Aufnahme vom Tatortgebäude

Mit eingebunden waren die erst 1951 gegründeten Polizeieinrichtungen BKA und Bundesgrenzschutz.
Auch die Bremer Nachrichten setzten einen „Fahndungsstab A“ ein, suchten, wie auch die Polizei, Zeugen auf und erstellten eine Phantombild - nach einer für Deutschland neuen Methode.

An Hand der Phantomzeichnung wurde der Täter, Erich von Halacz aus Drakenburg (nähe Nienburg), identifiziert und am 7.12.1951 festgenommen.

Nach anfänglichem Leugnen gab er die Taten zu und erklärte, dass er von den Angehörigen Carl Mayntz und Anton Höing Geld erpressen wollte, ansonsten würde sie ein ähnliches Schicksal ereilen.

An Dr. Wolfard von den Bremer Nachrichten wollte er sich rächen, weil ihm dieser eine Anstellung bei den Bremer Nachrichten verwehrt habe.

Titelblatt der Bremer Nachrichten vom 6. Dezember 1951
Titelblatt der Bremer Nachrichten vom 6. Dezember 1951
mit der ersten Phantomzeichnung, die zur Ergreifung des Täters führte.

E. von Halacz war in Nienburg wegen seiner großen Pläne gut bekannt. Er war allerdings immer von Geldnöten geplagt.
In den Tanzlokalen ging er ein und aus und hatte viele Kontakte zur weiblichen Welt.

Aus dieser Zeit stammt auch die für ihn zutreffende Bezeichnung „Tangojüngling“.

1952 wurde E. von Halacz durch das Landgericht Verden zu lebenslang Zuchthaus verurteilt.

1974 wurde er wegen einer schweren Krankheit begnadigt, änderte seinen Namen, begann eine Ausbildung zum Bürokaufmann und heiratete eine vermögende Witwe.

Besonderheiten:

• erster großer Kriminalfall in der Geschichte der jungen Bundesrepublik

• erster Fall in dem zwei Bundesländer (Bremen und Niedersachsen), sowie das neue Bundeskriminalamt (BKA) und der erst gegründetet Bundesgrenzschutz in der „Sonderkommission S“ zusammengearbeitet haben

• erster Fall in dem in Deutschland mit einem Phantombild gefahndet wurde

• erste Bombenattentate, die keinen politischen Hintergrund hatten, sondern aus Habgier und Rache begangen wurden

URANIA-Schreibmaschine mit dessen Schriftbild E. von Halacz überführt werden konnte
URANIA-Schreibmaschine mit deren Schriftbild E. von Halacz überführt werden konnte
Quellen:
• Archiv Heimatverein Grafschaft Hoya e.V.
• Privatbesitz H.-W. Wacker
• Polizeimuseum Nienburg
• Der Spiegel, Ausgabe 49 aus 1951 vom 05.12.1951
• Der Spiegel, Ausgabe 51 aus 1951 vom 19.12.1951
• Radio Bremen, Fernsehen, 04.09.2013 – Die großen Kriminalfälle
• Verdener Nachrichten vom 08.04.2015
• Die Zeit 18/1952 vom 1. Mai 1952
• www.bremen-history.de vom 11.03.2018

Nach diesem Unglück wurde der Schalterraum neu gestaltet.

Vor dem Eingang wurde ein Vorbau als Windfang mit Postfachanlage und einer Fernsprechzelle errichtet.

Am 1. Oktober 1961 übernahm die Oberpostdirektion Bremen/Postamt Verden das bis dahin zum OPD Hannover/PA Nienburg gehörende Postamt und nahm baulich und betrieblich einige Veränderungen vor:

Erneuerung des Dachstuhls,
Erstellung einer neuen Wohnung im zweiten Obergeschoß,
Schaffung von Parkplätzen vor dem Haus,
Abriß der Stallungen auf dem Hof mit gleichzeitiger Vergrößerung und Pflasterung des Posthofes und
Einrichtung eines Zustellerraumes im ersten Obergeschoß.

Im Jahre 1963 wurden die Arbeiten abgeschlossen.

Ehemaliges Postamt Eystrup

1970 ist eine Vergrößerung des Zustellerraumes und die Erstellung eines Aufenthaltraumes durchgeführt worden.

1984 erfolgte ein großer Umbau: Vollkommene Renovierung des Gebäudes von innen und außen;
Erstellung neuer Parkplätze;
Anlage von drei neuen Grünflächen; Vergrößerung des Posthofes für 8 neue Pkw-Abstellplätze;
Neueinzäunung, drei Lichtmasten auf dem Posthof;
Modernisierung der Toilettenanlagen;
statt 54, jetzt 72 Postfächer für Selbstabholer;
Schaffung einer Auffahrrampe.

Heute befindet sich das ehemalige Postgebäude im Privatvesitz und wird als Wohngebäude genutzt.

Postvorsteher, Postmeister und Betriebsleiter seit 1884:
vor 1884 Frexmuth
1884-1904 Dehnert,
1904 bis 1923 Dobberkau,
1924-1930 Bartels,
1930-1933 Ohm,
1933-1961 Bornheber,
1961-1993 Gerhard Werfelmann,
1994 Heinz Bassenhorst.

edenktafel am ehemaligen Eystruper Postamt
Am 65. Jahrestag des Anschlags enthüllte der Heimatverein Eystrup eine Gedenktafel am ehemaligen Postgebäude